Die meisten Händler kalkulieren ihre Gebrauchtwagenpreise nach dem gleichen Schema: Einkaufspreis plus Aufbereitung plus gewünschte Marge ergibt den Verkaufspreis. Klingt logisch, funktioniert aber nur, solange der Markt mitspielt. Ein BMW 320d mit 80.000 Kilometern interessiert Käufer nicht mehr oder weniger, nur weil Sie ihn günstig bei einer Auktion erstanden haben oder teuer in Zahlung genommen haben. Der Markt kennt Ihre Einkaufskosten nicht, und er interessiert sich auch nicht dafür.
Das Problem zeigt sich besonders bei Inzahlungnahmen. Wenn ein Neuwagenverkäufer großzügig war, um das Hauptgeschäft abzuschließen, sitzt der Gebrauchtwagenbereich auf einem Fahrzeug, das zum kalkulierten Preis niemand kauft. Dann beginnt das Warten: 30 Tage, 60 Tage, 90 Tage. Mit jedem Standtag sinkt nicht nur der Fahrzeugwert, sondern auch die Rendite der gesamten Abteilung. Studien zeigen, dass der Rohertrag pro Fahrzeug nach 90 Standtagen deutlich einbricht und ab 180 Tagen ins Negative rutscht.
Vom Markt aus denken
Die Alternative zur Kosten-plus-Rechnung ist die marktbasierte Kalkulation. Sie stellt eine simple Frage an den Anfang: Was zahlen Käufer gerade für vergleichbare Fahrzeuge? Nicht was Sie sich wünschen, nicht was die Schwacke-Liste sagt, sondern was tatsächlich auf Willhaben, AutoScout24 und mobile.de inseriert ist. Dieser Marktpreis wird zum Ausgangspunkt, von dem aus Sie rückwärts rechnen.
Von diesem Preis ziehen Sie Ihre Kosten ab: Aufbereitung, Inseratsgebühren, kalkulierte Standzeit, Gewährleistungsrücklagen. Was übrig bleibt, ist der maximale Einkaufspreis, bei dem das Geschäft noch Sinn ergibt. Diese Top-Down-Kalkulation schützt vor dem häufigsten Fehler im Gebrauchtwagenhandel: zu teuer einkaufen, weil man den Markt nicht kennt.
Der Gewinn liegt im Einkauf ist keine Floskel, sondern Mathematik. Wer vor dem Kauf weiß, was der Markt hergibt, verhandelt anders. Wer erst nach dem Kauf feststellt, dass die Konkurrenz 800 Euro günstiger anbietet, hat ein Problem.
Was den Preis wirklich bestimmt
Marke, Modell, Baujahr und Kilometerstand sind die Grunddaten, aber sie erklären nur einen Teil der Preisunterschiede. Zwei identische Golf VII mit gleichem Tachostand können 2.000 Euro auseinander liegen, wenn einer scheckheftgepflegt mit Ledersitzen und Navi daherkommt, während der andere die Basisausstattung hat und seit drei Besitzern kein Serviceheft mehr gesehen hat.
Die Ausstattung macht oft den Unterschied zwischen schnellem Verkauf und langem Stehen. Navigationssystem, Einparkhilfe, Sitzheizung, Anhängerkupplung: solche Extras sprechen Käufer an, die bereit sind, mehr zu zahlen. Umgekehrt drückt fehlende Ausstattung den Preis, selbst wenn alle anderen Daten stimmen.
Unterschätzt wird die Rolle der Präsentation. Ein Fahrzeug mit acht professionellen Fotos, aufgeräumtem Innenraum und aussagekräftiger Beschreibung erzielt höhere Klickraten als das gleiche Auto mit drei verwackelten Handybildern. Käufer schließen vom Inserat auf den Zustand: Wer sich keine Mühe beim Fotografieren macht, hat sich vermutlich auch bei der Pflege keine gemacht. Die Qualität der Präsentation ist Teil des Produkts.
Wettbewerbsrecherche als Routine
Die Recherche vergleichbarer Fahrzeuge sollte bei jedem Einkauf und bei jeder Preisanpassung stattfinden. In der Praxis scheitert das oft am Zeitaufwand: drei Plattformen, drei separate Suchen, drei verschiedene Filtermasken. Bei 50 Fahrzeugen im Bestand summiert sich das.
Dabei geht es nicht nur um den Preis der Konkurrenz. Entscheidend ist auch, wie lange deren Inserate schon online stehen. Ein vermeintlich höherer Marktpreis relativiert sich, wenn die Fahrzeuge seit Monaten inseriert sind und offensichtlich keine Käufer finden. Umgekehrt zeigen frische Inserate mit vollständiger Ausstattung, wo der Markt gerade steht.
Preis und Geschwindigkeit
Jeder Standtag kostet Geld: Kapitalbindung, Versicherung, Platz auf dem Hof. Ein Fahrzeug, das nach 14 Tagen mit solider Marge verkauft wird, bringt mehr als eines, das nach 90 Tagen mit Rabatt den Hof verlässt. Die dynamische Preisgestaltung, bei der Fahrzeuge nach definierten Intervallen neu bewertet und gegebenenfalls abgepreist werden, ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist das Eingeständnis, dass Märkte sich bewegen und Preise entsprechend angepasst werden müssen.
Die beste Preisstrategie beginnt vor dem Einkauf. Wer den Markt kennt, kauft richtig ein. Wer richtig einkauft, muss später keine Preiskorrekturen vornehmen, die Marge kosten.